Freitag, 5. Dezember 2008

Pfeffermühle


Die Leipziger Pfeffermühle gehört zu den traditionsreichsten Kabaretts, sie sorgten seit den fünfziger Jahren mit politisch-satirischen Programmen für Furore. Das Trio Ute Loeck, Jan Gärtig und Marco Schiedt kam mit dem aktuellen Programm „kassa blanka“ unter der Regie von Peter Wilczynski nach Guxhagen. Und ich war da...

Passend zur aktuellen politischen Situation präsentierte das Ensemble der Pfeffermühle das Programm: während in den Kassen der Menschen totale Schwindsucht herrscht, kreist oben statt des Bundesadlers der Pleitegeier. Die Namensanleihe bei dem Filmklassiker „Casablanca“ geschah nicht zufällig: auch hier treffen sich auf der Bühne der Welt die Gestrandeten und die Verlierer. Kassa blanka war in Guxhagen nicht der Kinoklassiker, zu dem man schon gemütlich die Chipstüte öffnet, sondern Szenen aus dem realen Leben in Deutschland. Denn es geht aufwärts in unserer Heimat: die Ausgaben steigen, die Krankenkassenbeiträge steigen, die Unterschicht steigt – aber alles wird gut! Es sei wichtig, den Kopf nicht hängen zu lassen, wenn man ganz tief im Morast stecke, wussten die Pfeffermüller und die Lacher aus dem Publikum bestätigten: Die Witze aus dem Osten kamen auch im Westen an. Denn wenn der Wind im Portemonnaie pfeift, dann sind alle Menschen gleichermaßen betroffen.

Spekulationsblasen, Kursabstürze und Bankenpleiten sind ein mehr abgründiges als unterhaltsames Spektakel, das derzeit viele Emotionen freisetzt: Angst, Wut und Schadenfreude. Auch in den späten zwanziger Jahren verloren Millionen Menschen über Nacht Geld und Vermögen. Und die Jahre nach dem Wallstreet-Crash von 1929 waren für die Mehrheit der Bevölkerung weniger rosig als unsere gut geheizte Gegenwart.

„Arbeiten im Bundestag?“ Der Psychiater alias Marco Schiedt klopft sich vor Lachen auf die Schenkel. Doch der Patient auf der Bühne behauptet stur, er sei im Bundestag der letzte Arsch. „Der letzte Archivar“, konkretisiert der völlig verwirrte Bundestagsmitarbeiter alias Jan Gärtig.
Was folgt, ist eine farbenfrohe Betrachtung der politischen Landschaft der bunten Republik Deutschland, in der mittlerweile Jamaika-Koalitionen ebenso möglich sind wie schwarz-grüne Partnerschaften, eine rot-dunkelrote Liaison praktiziert wird und ein tiefschwarzes Modell gerade auslief. Diese Farbspielereien irritieren den nervösen Archivar so sehr, dass für ihn das Hundertwasserhaus die reinste Schwarz-Weiß-Malerei ist.

„Maulwürfe sind auch blind und schaffen den Durchbruch!“

„Der Tatort einer Friseuse ist doch kein Arbeitsplatz!“

Donnerstag, 27. November 2008

Gestatten: Rippchen

Rippchen zu sein ist nicht leicht. War doch die Einheit mit dem Adam ganz gemütlich: Jeder kannte die Wünsche des Anderen, wusste, was dieser dachte und so kam es eben zur allseits bekannten Geschichte mit dem Apfel. Ich wollte ihn haben und probieren, aber ich brauchte überhaupt nichts zu sagen, Adam wusste es längst. Die Schlange war eigentlich nur dazu da, ihn zu pflücken und zu reichen. Denn eine Leiter gab es nicht. Dass wir dafür aus dem Paradies vertrieben wurden, wie ein paar unartige Kinder, die sich das Aufklärungsbuch der Eltern aus dem Regal geholt haben, weil sie die Sache mit der Biene und der Blume nicht geglaubt haben – geschenkt.

Aus dem Paradies vertrieben zu werden, ist das eine. Aber mit der Erkenntnis, was Gut und was Böse ist, geht noch eine andere Sache einher: ich, das Rippchen, verstehe jetzt meinen Adam nicht mehr. Und, was noch viel schlimmer ist, mein Adam versteht mich ebenfalls überhaupt nicht mehr. Manchmal komme ich mir vor, als führe ich mein Leben in einem Proseminar über Kommunikation mit dem Titel: „Wie sage ich etwas so, dass Adam verstehen kann, was ich meine“. Denn selbst die simple Frage: „Was machst du?“ mit unbeteiligtem Gesicht und völlig harmlos gestellt, verleitet meinen Adam dazu, sich zu rechtfertigen und über Sachen zu diskutieren, die ich so nie gesagt habe.

Ein Beispiel: Ich koche. Nein, nicht vor Wut. Sondern ich möchte ein wohlschmeckendes Sonntagsessen am Herd bereiten: die Zwiebel ist geschält, das klein geschnitzelte Fleisch bereits auf Zimmertemperatur – so spritzt das Fett in der Pfanne nicht so sehr – alles steht parat für Geschnetzeltes nach Zürcher Art. Kennt doch jeder.

Da holt mein Adam eine Packung passierte Tomaten aus dem Schrank. Und nimmt die Schere und schneidet die Ecke von der Packung ab. Nun ist sie auf. Da bei mir an Zürcher Geschnetzeltem kein Tomatenpüree hineingehört, frage ich eben: „Was machst du?“ Wo, bitte schön, habe ich dabei gesagt: „Bist du eigentlich ein Idiot, der nicht weiß, dass in Zürcher Geschnetzeltem kein Tomatenmatsch hineingehört?“

So ist das oft. Auch die Unterhaltung mit anderen Rippchen zeigt, dass diese ihren Adam ebenfalls nicht mehr verstehen können.

Dabei würde ich ganz gerne mal was mit meinem Adam gemeinsam machen. Doch er passt auf mich, sein Rippchen immer so sehr auf, dass ich alles nach seiner Meinung richtig mache, dass ich mir manchmal vorkomme, als würde mir ein alter Hauswirtschaftsdrachen über die Schulter gucken. „Spül das Geschirr noch einmal mit klarem Wasser ab – sonst kann man davon nicht essen!“, sagt er zum Beispiel. Sicher, wenn Adam hinguckt, mache ich auch das. Ansonsten halte ich es für eine ungeheure Wasserverschwendung. Außerdem las ich neulich in einer Studie, dass man sein ganzes Leben lang jeden Teller, an dem Spülmittel noch klebt, weil er nur abtropft, richtig rundherum mit der Zunge ablecken kann – und man kommt trotzdem nicht auf eine Menge an Spülmittel, die man schluckt, um sich in irgendeiner Weise zu gefährden. Die Studie habe ich sogar meinem Adam unter die Nase gehalten, genützt hat es nichts.

Überhaupt, sagte ich nicht bereits, dass ich so als Rippchen auch gerne etwas mit meinem Adam unternehmen würde. Auch wenn ich so für mich alleine manches nicht unternehmen würde. Schwimmen gehen in einem öffentlichen Schwimmbad ist so eine Angelegenheit. Ich schwimme nicht so gerne und ich eigentlich reicht mir das Fassungsvermögen meiner Badewanne. In dieser kann ich gemütlich liegen, mich hinten anlehnen, ein Buch lesen und wieder aus dem Wasser steigen, wenn dasselbe kühler wird. Oder ich lasse mir noch einmal heißes Wasser nachlaufen. Reicht mir völlig aus.

Aber mein Adam geht gerne ab und an schwimmen. So richtig im kleinstädtischen Schwimmbad. Nicht zu verwechseln mit einem großstädtischen Erlebnis- und Spaßbad. Hier, wo lediglich Haubentaucher ihre gleichmäßigen Bahnen ziehen, liebt es mein Adam, im Wasser nur die Hälfte seines Gewichtes zu tragen und hübsch langsam von einer Seite des Schwimmbeckens zur anderen zu schwimmen. Und ich schwimme wie eine bleierne Ente und bin froh, wenn ich mich über Wasser halten kann.

Ich dagegen brauche ab und an Auslauf – am liebsten durch den Wald – um mich wohl zu fühlen und den Kopf wieder frei zu bekommen. Aber um des lieben Friedens willen bin ich ab und an auch bereit, mich in einen Badeanzug zu zwängen und ein wenig im Schwimmbad zu planschen. Nur: An diesem Tag hatte ich hier noch etwas zu tun und dort zu kramen und dann war noch dringend dieses zu erledigen. Ich meine, wann, außer Sonntags, komme ich doppeltbelastetes Rippchen denn dazu, meine Wäsche zu bügeln, die Fenster zu putzen und die Zeitungen zu sortieren? Nach drei Stunden ist leider mein Adam explodiert. Ich meine, hätte ich das geahnt, dann wären wir doch lieber gleich ins Schwimmbad gefahren und er hätte abgekühlt. So musste ich zu allem Unglück auch noch die Reste wegputzen.

Ich brauche dringend ein Wörterbuch: Adamdeutsch-Rippchendeutsch und umgekehrt. Oder verstehen Sie etwa ihren Adam immer?